Phalloplastik in Potsdam

Meine lieben Mitleser_innen,

endlich melde ich mich auch hier zu Wort und möchte meine Erfahrungen, die ich in Potsdam sammeln durfte, mit euch teilen:
Die Operation behinhaltete: Phalloplastik, Kolpektomie, Hysterektomie und Adnektomie.

Mein Aufbau war für den 16.11.15 angesetzt. Angereist bin ich mit meinen Eltern und meinem besten Freund am 14.11.15. Die erste Nacht haben wir gemeinsam in einer Ferienwohnung verbracht, welche meine Eltern für die kommenden zwei Wochen gemietet hatten.

15.11.15:
Es war ein Sonntag und ich durfte frühstücken. Das war das letzte Essen für die nächsten zwei Tage. Wirklich reinschlagen konnte ich leider nicht, weil all die Aufregung und die Angst sich breiter in meinem Magen machten als der Hunger.

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Der berüchtigte Einlauf

Gegen kurz nach zehn sind wir in der Klinik Sanssouci eingetroffen und wurden von einer Schwester auf mein Zimmer geführt. In den nächsten Stunden waren meine Gedanken alles, nur nicht klar. Ich hatte riesige Angst, aber auch Aufregung und Vorfreude. Mit jeder kleinen Aktion die dann folgte wurde es für mich ernster und mir wurde immer mehr bewusst, dass es bald so weit war. Gegen Mittag gab es den ersten Einlauf, ein Zweiter folgte am Abend.
Das einzige „Essen“ was ich noch zu mir nehmen durfte war eine Brühe. Abends habe ich mir dann eine Schlaftablette geben lassen, weil ich mir bewusst war, dass ich die Nacht sonst kein Auge zumachen würde.

16.11.15:
Gegen halb sieben wurde ich von der Schwester geweckt mit der Anweisung zu duschen und die Bereich zu rasieren. Nachdem ich dieses schnell erledigt hatte, hab ich direkt meine Freundin angerufen. In diesen Minuten wäre ganz alleine zu sein das schlimmste für mich gewesen. Ich hatte nicht mehr nur Angst, es war in diesen Momenten wirkliche Panik. Mit dem ein oder anderen Moment wo ich dachte es abzublasen. Aber im gleichen Moment kam der Gedanke wie sehr ich dies a

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Die Wirkung der Pille in einem Bild

m Ende bereuen würde. Um sieben kamen meine Eltern und mein bester Freund. Gleichzeitig dazu bekam ich meine LMAA Tablette.Diese zu schlucken fiel mir unglaublich schwer. Mit dem Runterschlucken dieser Tablette würde ich mich vollkommen aufgeben und fallen lassen. Innerhalb weniger Minuten würde sie wirken, meinen Kopf dusselig machen und jeden Gedanken und Willen von mir brechen. Ich hatte solche Angst, aber ich wusste auch wie sehr ich es wollte. Also schmiss ich sie mit Überwindung ein. Ab da weiß ich gar nichts mehr. Meine einzige Erinnerung kommt aus dem Operationssaal, in dem ich kurz klar im Kopf war und die OP-Schwester angeguckte. In diesem Moment war ich frei von Angst, beruhigt und bereit für das was kommt.

17.11.15:
Meine ersten zeitlichen Erinnerungen von diesem Tag sind von gegen zwei Uhr morgens. Da war ich das erste Mal bewusst wach und habe die Nachtschwester, welche die ganze Nacht an meinem Bett saß und meinen Penoid gecheckt hat, nach der Uhrzeit gefragt. Meine einzigen Gedanken bei jedem einzelnen Aufwachen waren „aua“. Dies hab ich auch jedes Mal kund getan. Aber kaum habe ich einen „aua“-ähnlichen Laut von mir gegeben, gab es ein paar ML Opium in meinen Zugang und innerhalb von Sekunden war der Schmerz, aber auch mein Bewusstsein, weg. Ich werde ehrlich sein: Die Nacht war unendlich anstrengend und hat sich gezogen. Gefühlt war ich alle zehn Minuten wach und habe nach der Uhrzeit gefragt. Irgendwann als die Nachtschwester, ihr Name war übrigens Anja, nach meinem Penoid geschaut hat, hat sie mich drauf gucken lassen. Die Spitze des Penoids zu sehen hat mich unglaublich beruhigt. Parallel dazu habe ich das erste Mal meine Finger bewegt, einfach um zu gucken ob noch Gefühl da war. Und ja es war noch Gefühl da, lediglich mein Daumen hat sich taub, bzw. eingeschlafen angefühlt. Am Morgen hab ich meine

Phalloplastik post OP
Mein erstes „waches“ Bild nach der Phalloplastik

Eltern und meinen besten Freund an meinem Bett gesehen. Viel habe ich nicht mit ihnen gesprochen.Gegen zehn Uhr bin ich wieder auf mein Zimmer geschoben worden, wo ich mich irgendwie wohler fühlte als auf der Nachtstation davor. Wirklich viel weiß ich von diesem Tag nicht mehr. An dem Tag gab es auch einen Verbandswechsel, dort konnte ich das erste Mal meinen gesamten Penoid angucken. Davon weiß ich jedoch nichts mehr, es wurde aber alles auf Fotos festgehalten.

18.11.15:
Auch dieser Tag ist so gut wie gar nicht mehr in meinem Gedächtnis verfügbar. Ich glaube ich habe ein wenig gefrühstückt, viel geschlafen und auch zu Mittag gegessen. Ansonsten war der Tag durchzogen von Opiaten und schlafen. Ich glaube an dem Tag wurde eine meiner beiden Leisten-Drainagen gezogen.

19.11.15:
Der dritte Tag post op, an dem Tag war ich schon klarer im Kopf. Ich hatte jedoch weiterhin viele Spritzen mit Opiaten bekommen – alle auf mein Nachfragen. Seit dem Moment des ersten Aufwachens nach meiner OP hatte ich mit Übelkeit zu kämpfen. Übergeben musste ich mich zum Glück kein einziges Mal. Dieser Tag war auch gut aushaltbar, da ich weiterhin viel geschlafen habe.

20.11.15:
Am vierten Tag post op war mein Kopf wieder zu 100% klar und desto genervter war ich. Ich musste liegen, durfte nicht sitzen, nicht laufen. Nicht mal auf der Seite schlafen. Alles, einfach alles hat mich genervt. Zu der Zeit war ich ein schrecklicher Griesgram. Meine Eltern und mein bester Freund mussten zu der Zeit wirklich viel mit mir aushalten. Essen war bis dato immer noch nicht wirklich. Zwar verlangte jeder von mir, dass ich essen müsste, jedoch war mir weiterhin unendlich schlecht. An diesem Tag wurde mir auch mein letzter Zugang gezogen, war bedeute: kein Opium mehr – davor hatte ich wirklich Angst, weil die starken Schmerzen schnell dadurch bekämpft wurden konnten. Zudem wurden meine beiden letzten Drainagen, eine letzte aus der Leiste und eine aus meinem neuen Hodensack, gezogen. Es wurden also von Tag zu Tag weniger Schläuche an mir und meinem Bett. Auch wurde das Sauerstoff/Sättigungsmessgerät an meinem Penoid entfernt. Auch das hat mir wieder viel Angst gemacht. Die vier Tage davor habe ich Tag und Nacht, jeden wachen Moment, auf der Gerät und die Sättigung meines Penoids geschaut. Dies gab mir unendliche Sicherheit. Aber laut Ärzten waren die schlimmsten Tage überstanden und die Gefahr eines Absterbens nahezu gleich null. Als ich das hörte fielen so viele Steine von meinem Herzen, all die Last von meinen Schultern lockerte sich. In diesem Moment habe ich geweint, richtig geweint, wie schon seit Jahren nicht mehr.

21.11.15:
Ich glaube von Tag zu Tag wurde ich unerträglicher. Zwar pendelten sich die Schmerzen ein, jedoch wurde meine Psyche immer schlimmer. Ich war einfach unglaublich genervt von allem, genervt davon ans Bett gebunden zu sein. Aber es gab einfach diesen strickten Plan, dass man sich erst am sechsten Tag post op hinsetzen durfte. Logischerweise wurde bei mir keine Ausnahme gemacht.
Zum Glück wurde ich von meiner Mutter, meiner Freundin und meinem besten Freund bespaßt, sie waren alle sehr ausdauernd. Schmerzen hielten sich weiterhin in Grenzen und ich brauchte keine extra Schmerzmittel. Wie auch all die Tage zuvor hat mich mein Katheter sehr genervt. Der Urin floß einfach  nicht von alleine. Die Blase damit zu entleeren ist ungelogen eine Art Wissenschaft. Schwenken, von links nach rechts und hoch und runter. Irgendwann fließt der Urin endlich raus und die Blase entspannt sich. Nahezu jedes Mal wenn die Blase endlich ganz entleert war, stieß der kleine Ball des Katheters in meiner Blase an die Blasenwand, das ist ein unglaublich unangenehmes und schmerzhaftes Gefühl. Und das durfte ich ein paar Mal täglich mitmachen.

22.11.15:
Endlich waren sechs Tage rum und ich durfte mich das erste Mal hinsetzen. Direkt vorm Frühstück kam eine Schwester rein und machte mich bereit für das erste Sitzen. Ich war sehr aufgeregt aber auch unglaublich ungeduldig. Das hinsetzen war sehr anstrengend und als ich erst einmal saß ging mein Blick schnell nach unten. Die Schwester redete parallel auf mich ein, dass ich nicht nach unten gucken sollte. Und sie hatte recht, runter zu gucken hat nahezu automatisch Schwindel ausgelöst. Das Sitzen selbst hat stark gezwickt, am meisten zwischen den Beinen, am Sack wo noch Fäden waren. Ich glaube mein erstes Mal sitzen hat maximal eine Minute gedauert, dann war ich froh endlich wieder zu liegen. An dem Tag hab ich glaube noch fünf bis zehn mal gesessen. Von Mal zu Mal steigerte ich mich und die Zeit zu sitzen. Einmal durfte ich mich ganz kurz aufstellen, das war unglaublich anstrengend.

23.11.15:
Am siebten Tag post op durfte ich das erste Mal wieder laufen. Der Tag fing an mit dem Akt des Aufsetzten. Dadr

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Ein bisschen Spaß muss sein 😛

auf folgte der langsame und lange Weg ins Badezimmer. Mein bester Freund hatte die Vakuumpumpe in der Hand und ich meinen Katheter.Im Gänsemarsch habe ich dann auch endlich das Badezimmer erreicht. Dort habe ich mir fix die Zähne geputzt und bin dann schnell wieder zurück in mein sicheres Bett. Diese maximal zehn Meter haben mein Herz zum rasen gebracht und ich war froh wieder zu liegen. An dem Tag bin ich noch drei bis vier Mal aufgestanden und ein paar Meter gegangen, das war es dann aber auch schon. Mehr hätte mein Kreislauf nicht mitgemacht.

24.11.15:
Von Tag zu Tag ging es körperlich, aber auch psychisch Berg auf. Es gab immer was zu tun, tägliche Veränderungen und die Nächte wurden endlich angenehmer. Am Vormittag kam ein Ärzteteam um die ersten Fäden zu ziehen und die verhasste Vakuumpumpe zu entfernen. Zuerst wurden die Fäden an meinem Sack gezogen. Das war zwar recht unangenehm und hat gezwickt, aber es war aushaltbar. Danach ging es weiter zu meinem Arm. Vor dem Entfernen der Vakuumpumpe hatte ich viel Angst. Ich hatte Angst vor möglichen Schmerzen, aber auch Angst vor dem ersten Anblick meines Arms. Das Entfernen hat ca. zehn Minuten gedauert und war nicht gerade angenehm.

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Nach acht Tagen das erste Mal wieder ein T-Shirt an mir

Das „schlimmste“ war das Entfernen des Klebers an meinem Arm. Direkt an den Narben soviel zu ruckeln tat einfach weh. Aber insgesamt war meine Angst vor möglichen Schmerzen größer als der tatsächliche Schmerz. Mein Arm sah auch nicht so schlimm aus, wie ich es befürchtet hatte. Als er erst einmal ganz ausgepackt war, konnte ich ihn genau begutachten. Danach wurde er erneut mit einer Jodtinktureingerieben und gut in der Verband verpackt. Laufen ging auch wieder ein Stückchen besser, ich konnte mir das erste Mal wieder ein T-Shirt und einen Bademantel anziehen, also auch mein Zimmer für einen kurzen Spaziergang verlassen.

25.11.15-27.11.15:
In diesem Zeitraum gab es keine großen Veränderungen. Weiterhin gab es an allen zwei Tagen Verbandswechsel, sowohl am Arm als auch am Penoid. Ich bin immer mehr spazieren gegangen und habe geübt im sitzen zu essen. Von Tag zu Tag wurde das Laufen und meine Ausdauer besser. Ich war mit allem sehr zufrieden, es war aber weiterhin sehr anstrengend, sowohl körperlich als auch psychisch.

28.11.15:
12 Tage post op, der Tag meiner Entlassung. Schon früh am Morgen betrat ein Arzt mein Zimmer um mir die letzten Fäden an den Leisten und meinem Arm zu ziehen. Anschließend sollte noch der Katheter entfernt werden. Das Fäden ziehen war erneut nicht angenehm aber aushaltbar. Vor dem Kathter ziehen hatte ich erneut sehr viel Angst. Der Akt selbst hat vielleicht zwei Sekunden gedauert, ein wenig gekratzt aber er war fix draußen, das war unglaublich erleichternd. Danach hieß es: trinken, trinken, trinken. Vor seiner Entlassung muss mein problemlos durch seinen neuen Penoid pinkeln können. Also hab ich viel Wasser in mich hinein geschüttet. Nach knapp einer Stunde hatte ich dann Druck auf der Blase und wollte pinkeln gehen. Nur war das nicht so leicht wie erhofft. Ich wollte pinkeln, aber im Kopf war eine gigantische Blockade. Meine Mutter stellte sich sogar mit mir ins Bad und versuchte alles, damit sich mein Kopf löste. Lies Wasser laufen, auch über meine Hand, aber nichts half mir. Irgendwann, nach langem Sitzen, tröpfelte es endlich aus meinem Penoid. Parallel dazu merkte ich aber, wie es an meinem Sack warm und nass wurde. EINE FISTEL, war direkt mein erster Gedanke und ich hörte schlagartig auf zu pinkeln. Danach bin ich wieder auf mein Bett und habe es meiner Mutter erklärt. Sie meinte aber der Urin wäre nur aus dem Penoid gekommen. Eigentlich musste ich noch mehr pinkeln, aber mein Kopf war nicht frei genug. Dann began die Tortur. Es fing erst mit schwachen Blasenschmerzen an. Diese steigerten sich aber schlagartig innerhalb weniger Minuten. Es waren die schlimmsten Schmerzen meines gesamten Aufenthalts. Es tat wirklich höllisch weh. Ich war am weinen, am schwitzen, am zittern, am frieren, meine Arme wurden taub vor Schmerz. Die Schwestern kamen, gaben mir krampflösend

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Das erste Mal, dass ich wieder halbwegs menschlich aussah

e Medikamente und spritzen mir Opiate ins Bein. Natürlich kam auch fix ein Arzt, er machte aber auch nicht mehr als das was die Schwestern schon getan hatten. Die Tortur zog sich etwa über eine Stunde hin und es war schrecklich. Aber mit der Zeit wirkten die Medikamente und der Krampf löste sich endlich. Im liegen versuchte ich dann in eine Flasche zu pinkeln. Endlich kam Urin aus dem Penoid, aber erneut auch aus der Stelle an meinem Sack. Daraufhin rief ich eine Schwester, die die Fistel fand. Auch der Arzt kam erneut und erklärte mir, dass er mir einen erneuten Katheter hätte legen können, ich dann aber das Krankenhaus an diesem Tag nicht hätte verlassen dürften. Im Nachhinein bin ich sehr froh drüber, dass er dies eben nicht getan hat. Zur Fistel wurde mir erklärt, dass sie sich mit Glück selbst verschließt und ich sie beim pinkeln immer zuhalten solle. Wenn sie nach drei Monaten nicht zugewachsen ist, könnte ich erneut kommen um diese operativ verschließen zu lassen. Gut aufgeklärt und sicher für die Heimreise wurde ich gegen Nachmittag aus dem Krankenhaus entlassen.

UPDATE:
22.12.15:
Dieser Blasenkrampf war einmalig. Die Fistel ist von selbst zugewachsen. Noch ist die Haut an ihr dünn und ich drücke sie weiterhin zu, jedoch tröpfelt nichts mehr aus ihr heraus. Schmerzen halten sich weiterhin in Grenzen, an schlechten Tagen ist Stehen nur sehr anstrengend und tut weh. Sitzen und liegen ist meist schmerzfrei.